Was bedeutet eigentlich Agil?

Seit einigen Jahren hört man es schon. „Wir werden jetzt agil“ oder „Wir bauen jetzt auf eine agile Organisation“. Man fragt sich häufig, was bedeutet das denn jetzt überhaupt? Oder ist es einfach nur wieder ein Buzzword, welches gerade durch die Management Ebenen hallt? Das möchte ich gerne einmal versuchen näher zu betrachten und meine eigenen Gedanken dazu auf das digitale Papier bringen.

Um das Thema zu betrachten müssen wir erst einmal den Begriff Agil definieren. Agil kommt von Agilität und das wiederum bezeichnet, laut Wikipedia, die Fähigkeit einer Organisation flexibel und proaktiv, antizipativ und initiativ auf Veränderungen zu reagieren. Also die Fähigkeit auf sich verändernde Umwelteinflüsse zu reagieren. So etwas könnte dann zum Beispiel auch ein Technologiewandel sein. Firmen die also agiler als andere sind können also besser auf Umweltveränderungen reagieren und haben damit einen Wettbewerbsvorteil, besonders in Zeiten in denen große Veränderungen anstehen wie es aktuell der Fall ist.



Wenn man nun über die Veränderung von Unternehmen hin zur Agilität spricht, dann gibt es vor allem drei Dinge die sich zwar gegenseitig durchaus bedingen, aber in der Diskussion aus meiner Sicht getrennt werden sollten.

  • Agile Organisation
  • Agile Arbeitsweisen
  • Agiles Projektmanagement

Diese 3 Dinge werde ich im folgenden versuchen etwas genauer zu erläutern und wo es aus meiner Sicht Sinn macht diese einzuführen bzw. wo es weniger Sinn macht. Denn, nicht immer ist Agilität die Lösung die ein Unternehmen im Wettbewerb wirklich hilft !

Was ist eine Agile Organisation?

Klassisch sind Unternehmen sehr hierarchisch organisiert in funktionale Abteilungen und Teams. Wir haben den Einkauf, die Produktentwicklung, die Produktion, den Vertrieb und das Marketing. Teilweise gibt es auch Aufteilungen nach geographischen Regionen z.B. Vertrieb Europa und Vertrieb USA. Mitarbeiter sind hier fest in diese hierarchischen Strukturen eingebettet und Veränderungen lassen sich nur mit viel Aufwand und vielen Abstimmungen zwischen allen Bereichen durchführen. So eine Organisation sieht dann wie im folgenden Organigramm aus:

Hierarchische Orga

Die operativen Tätigkeiten werden dabei in weiter gestaffelten Unterabteilungen erbracht. Also das Marketing für die Region Nord oder die Region Süd. Die Produktion für Massenware oder für Sonderanfertigungen usw. Es gibt also viele Hierarchie Ebenen in diesen Klassischen Organisationen.

Eine Agile Organisation denkt im Gegensatz dazu nicht mehr in festen Funktionen die in der Organisation abgebildet sind. Es gibt in dem Sinne keine Abteilungen mehr, sondern es werden vielmehr kleine sich möglichst selbst organisierende Teams gebildet die ein Produkt oder Thema möglichst eigenständig bearbeiten. Auf dem Weg zur agilen Organisation werden häufig Matrix Organisationen gebildet.

Wie sehen diese Matrix Organisationen aus bzw. was zeichnet diese aus? 

Matrix Organisationen zeichnen sich vor allem durch eine flachere Hierarchie aus. Es gibt im extrem Fall nur eine Hierarchie Ebene unter dem Geschäftsführer. Diese ist aber nicht verantwortlich für die konkrete fachliche Durchführung des Themas ( z.B. Marketing) sondern vor allem für die Weiterentwicklung des eigentlichen Marketing Themas. Sie übernimmt aber nicht direkt das Marketing für ein Produkt sondern stellt für verschiedene Produkte/Projekte die Marketing Experten zur Verfügung.

Matrix Orga

Die Gesamte Unternehmensorganisation ist damit viel stärker auf die Produkte oder Projekte ausgerichtet. Gerade in einem Umfeld in dem zunehmend neue Produkte eingeführt werden bzw. verändert werden bietet diese Form der Organisation einige Vorteile. Das klassische Konkurrenzdenken zwischen den Abteilungen wird verhindert, da alle zusammen konkret an einem Projekt / Produkt arbeiten und dieses zum Ziel führen wollen. Wenn ein Produkt das Ende seines Produktlebenszyklus erreicht, dann können alle Experten sich in neuer Zusammenstellung in die Entwicklung eines neuen Produkts begeben.

Also ist alles besser in der Matrix?



Ganz klar Nein ! Es gibt bestimmte Unternehmen für die ist so eine Matrix Organisation wie geschaffen. Gerade bei digitalen Produkten die sehr kurzweilig sind und stark von Veränderung und Innovation geprägt sind, bietet die Matrix Organisation große Vorteile im Vergleich zur klassischen Organisation. Als Beispiel ist hier Spotify zu nennen, die diese Form der Organisation bei sich eingeführt haben und damit sehr erfolgreich sind. Für klassische Unternehmen ist so eine Organisation nur teilweise ein möglicher Vorteil. Gerade wenn die Produktpalette sich auf ein paar wenige Produkte beschränkt und diese einen sehr langen Produktlebenszyklus haben ist die klassische Organisationen in vielen Fällen nach wie vor die optimalere Lösung. aber auch hier sollten die Unternehmen sich Gedanken machen wie man sich Organisatorisch in Zukunft besser aufstellen kann, denn die Digitalisierung durchdringt immer mehr Lebensbereiche und wird auch vor klassischen Unternehmen keinen Halt machen. Das bedeutet aber auch mehr Geschwindigkeit, mehr Anforderungen und eine höhere Anpassungsfähigkeit an Veränderungen von Unternehmen.

Zusätzlich darf man nicht vergessen, dass eine Matrix Organisation durchaus auch einiges von Mitarbeitern und Führungskräften verlangt. Ein neuer Führungsstil der weniger auf Command and Control ausgelegt ist, die Aufteilung in disziplinarische und fachliche Führungskräfte und die deutlich höhere Eigenverantwortung von Mitarbeitern sind nur einige Beispiele die zu Konflikten und Überforderung führen können. Über diese Dinge sollte man sich deshalb auch unbedingt Gedanken machen und im Klaren sein.

Damit aber auch erstmal genug zur agilen Organisation. Lasst uns mal nun auf agile Arbeitsmethoden einen Blick werfen.

Was sind agile Arbeitsweisen?

Agile Arbeitsweisen zeichnen sich vor allem durch den Wechsel von Push zu Pull bei der Verteilung von Arbeiten aus. Der Projektleiter oder die Führungskraft verteilt nicht mehr direkt die Aufgaben an die Mitarbeiter, sondern diese „ziehen“ sich die Aufgaben nach Priorität selbstständig. Das erfordert aber auch neue Methoden und Instrumente um die Arbeit zu steuern. Diese basieren auch auf unterschiedlichen Projektmanagement Methoden, zu den aber gleich mehr.

Bei den konkreten Arbeitsweisen haben sich einige Methoden herauskristallisiert die besonders erfolgversprechend sind.

  • Task Board: Es werden Aufgaben als Tickets definiert. Jedes Ticket muss mehrere Zustände durchlaufen (z.B. Neu, In Arbeit, Test, Abnahme, Erledigt) Diese werden auf dem Board als Spalten abgebildet und die Tickets können nun aufgeklebt werden. Dadurch kann man genau sehen wo wieviel Workload aktuell vorhanden ist. ( Varianten sind z.B. Scrum Boards und KanBan Boards)
  • StandUp Meetings: Kurze Meetings zu Beginn eines Tages um sich gegenseitig über neue Entwicklungen zu informieren und die Ergebnisse der letzten 24 Stunden vorzustellen sowie die Herausforderungen für den aktuellen Tag.
  • User Stories: Konkrete Beschreibungen der Aufgaben aus Kundensicht und welcher Nutzen dahintersteht. Werden dann häufig in Tickets in einem Task Board umgewandelt.

Es gibt noch weitere Methoden wie Personas die angewendet werden können. Diese sind aber stark von den verwendeten Projektmethoden abhängig.

Was sind agile Projektmanagementmethoden?



Agile Projektmanagement Methoden binden diese konkreten Arbeitsweisen in Frameworks und Vorgehensmodelle bei der Durchführung von Projekten ein. Dem Zugrunde liegen Agile Prinzipien. Im Rahmen von Scrum wurde ein sogenanntes Agiles Manifest verfasst. Dies kann man zum Beispiel direkt bei der Scrumalliance nachschlagen. Andere Projektmanagement Methoden haben ähnliche Manifeste oder Prinzipien definiert. Die bekanntesten Projektmanagement Methoden sind dabei die folgenden:

  • SCRUM: Kommt ursprünglich aus der Software entwicklung. Mithilfe von kurzen Sprints ( 2-4 wochen) wird ein Product Backlog abgearbeitet mit dem Ziel möglichst schnell einzelne Funktionen eines Produkts zur Verfügung stellen zu können und gleichzeitig bei Fehlentwicklungen diese frühzeitig vom Kunden als Feedback zurück zu bekommen.
  • KANBAN: Kommt ursprünglich von Toyota und sollte den Fertigungsprozess optimaler gestalten. In der heutigen Form wird es z.B. in der Softwareentwicklung eingesetzt. Dabei wird die Anzahl der parallelen Arbeiten begrenzt um Engpässe besser aufzuzeigen und einen gleichmäßigeren Workflow gewährleisten zu können. Dabei werden häufig KANBAN Boards eingesetzt. Außerdem ist ein zentrales Element von KANBAN das sogenannte KAIZEN. Dies ist ein japanisches Wort, dass sich mit kontinuierliche Verbesserung übersetzen lässt auf dem die Grundprinzipien und Kernpraktiken von KANBAN beruhen.
  • Design Thinking: Ist vor allem in der Produktentwicklung ein Vorgehensmodell bei dem der Kunde im Fokus steht und es mehr um das Design und das finden von Funktionen und Anforderungen an ein Produkt geht, als um die konkrete technische Umsetzung. Bekannte Instrumente sind die Personas die abstrakte Kundengruppen sehr konkret machen sollen, sowie das Prototyping mit z.B. Lego oder anderen eher spielerischen Ansätzen. Es gibt dabei vor allem 6 grundlegende Schritte: Verstehen, Beobachten, Standpunkte definieren, Ideen finden, Prototypen entwickeln, Testen.

Neben diesen Punkten gibt es viele weitere Aspekte wie Hackathons, Arbeiten mit MVP’s oder sogenannte Business Model Canvas die das agile Arbeiten unterstützen sollen.

Es ist also kein Thema das man schnell mal abschließen kann. Für jedes dieser Themen gibt es Experten und die schwierige Aufgabe ist es die richtigen Methoden für das richtige Problem zu finden um diese optimal lösen zu können.